13.09.2004, 02:23:30
Dimitris schrieb:
> *** Aha, das ist erst mal ganz interessant. In Deutschland ist nämlich der normale gesprochene Gebrauch des Präteritums in DIESEN Fällen - also denen, die ich zitiert hatte - vollkommen normal. Das vermindert natürlich noch mal die schwache, verbleibende Vergleichsmöglichkeit mit Deutsch.>
Kleiner Exkurs:
Habe soeben sogar im Duden ("Richtiges und gutes Deutsch") etwas dazu gefunden:
"Das Präteritum ist daher das Haupttempus in allen Erzählungen und Berichten, die von einem erdachten oder wirklichen Geschehen der Vergangenheit handeln: 'Jan Bronski und Kobyella lagen hinter den Sandsäcken [...]' (Grass). Hiervon machen nur die Mundarten südlich der Linie Trier- Frankfurt - Plauen eine Ausnahme: Da hier Präteritum und Plusquamperfekt seit dem 16./17.Jh. geschwunden sind, ist der Sprecher in diesen Gebieten gezwungen, vergangenes Geschehen allein mithilfe des Perfekts darzustellen."
Und das gilt in besonderem Maße auch für Österreich, sodass insoweit auch die deutsche Sprache keine große Hilfe ist. <img src="images/icons/icon9.gif" alt=":-(" border=0 align='absmiddle'> Mir ist aber dank Deiner Erläuterungen, Dimitri, das Prinzip klar geworden.
> Ein Trost könnte für dich auch sein, dass ich weiß, dass VIELE/ALLE "Germanischsprachige" sich AUCH in Spanisch, Französisch oder Italienisch deswegen den Kopf zerbrechen. Der Unterschied in diesen Sprachen ist nur, dass es die Unterscheidung nur in der Vergangenheitsebene gibt, während im Griechischen noch im Futur, im Imperativ und in all den "να ...", die in den anderen genannten Sprachen dann einfach Infinitiv sind.>
Ich glaube, damit hast Du einen ganz entscheidenden Punkt angesprochen: Das Problem mit dem Aspekt stellt sich in drei Bereichen:
1. Bei den Vergangenheitszeiten und im Futur,
2. beim Imperativ,
3. bei Sätzen mit να (aber auch για να, αν, μήπως, μόλις usw.usw.)
Es ist unfassbar, dass dieses so wesentliche Thema in allen mir bekannten Lehrbüchern sträflich vernachlässigt wird. (Allerdings muss ich auch hier ein gutes Wort für das Langenscheidt-Lehrbuch einlegen, das sich bemüht hat, das Problem in Zusammenhang mit den Vergangenheitszeiten an einem anschaulichen Beispiel zu erläutern.)
> Eine Gegenfrage: In welchen Fällen fällt es denn schwerer?: Beim Erzählen über die Vergangenheit (έτρεξα, έτρεχα, άνγοιξα, άνοιγα oder in "να πάω/ανοίξω/ανοίγω/τρέξω/τρέχω..." ??>
Ehrlich gesagt, es fällt immer schwer (soweit eben nicht "Signalworte" wie "πάντα", "τακτικά", "κάθε μέρα, "αρχίζω να ...", "εξακολουθώ να ..." usw. vorkommen). Bei den να-Sätzen (bzw. αν-Sätzen usw.) ist es vielleicht deshalb eine Spur einfacher, weil da meistens die Stamm-II-Form ("να ανοίξω") zu passen scheint.
Ich komme wieder mit einem Beispiel (hier jetzt ohne Bezug auf Vergangenheitszeiten).
Zwei Liedtexte. In dem einen heißt es:
"Αν μ’ αγαπάς
θα κλέψω χρώμα της φωτιάς και λευκό πανί
οι δυο μαζί να ζωγραφίσουμε ξανά τη ζωή.
...."
Im anderen:
"Αν μ’ αγαπήσεις
θαύματα θα κάνω εγώ για σένα
να σου χαρίσω
αγάπη για μια ολόκληρη ζωή."
Zwei vergleichbare Textkonstellationen - und dennoch steht einmal "αν μ’ αγαπάς" und einmal "αν μ’ αγαπήσεις". Stimmt meine Annahme, dass es hier einen gewissen Ermessenspielraum gibt, ob man "Stamm I" oder "Stamm II" nimmt? Anders ausgedrückt: Ist es in solchen Sätzen letztlich egal, welche Form man wählt? (Ich vermute mal, es hängt damit zusammen, ob der Sprecher beim Lieben den (erhofften) kontinuierlichen, "ewig" andauernden Aspekt in den Vordergrund rückt ["αν μ’ αγαπάς"], oder ob er das Lieben mehr unter dem Aspekt eines einheitlichen, "punktuellen" - nämlich auf eine bestimmte Person bezogenen - Phänomens betrachtet.)
Michael
PS: Dimitri, kennst Du irgendein griechisches Buch, das sich gezielt, systematisch und anschaulich mit diesen Problemen des Aspekts beschäftigt? Eine Linguistin von der Uni Athen namens Amalia Moser hat einmal so ein Buch geschrieben, aber das ist leider vergriffen. (Aufsätze zu dem Thema gibt es ja einige, aber sich die zu beschaffen, ist reichlich mühsam.)
> *** Aha, das ist erst mal ganz interessant. In Deutschland ist nämlich der normale gesprochene Gebrauch des Präteritums in DIESEN Fällen - also denen, die ich zitiert hatte - vollkommen normal. Das vermindert natürlich noch mal die schwache, verbleibende Vergleichsmöglichkeit mit Deutsch.>
Kleiner Exkurs:
Habe soeben sogar im Duden ("Richtiges und gutes Deutsch") etwas dazu gefunden:
"Das Präteritum ist daher das Haupttempus in allen Erzählungen und Berichten, die von einem erdachten oder wirklichen Geschehen der Vergangenheit handeln: 'Jan Bronski und Kobyella lagen hinter den Sandsäcken [...]' (Grass). Hiervon machen nur die Mundarten südlich der Linie Trier- Frankfurt - Plauen eine Ausnahme: Da hier Präteritum und Plusquamperfekt seit dem 16./17.Jh. geschwunden sind, ist der Sprecher in diesen Gebieten gezwungen, vergangenes Geschehen allein mithilfe des Perfekts darzustellen."
Und das gilt in besonderem Maße auch für Österreich, sodass insoweit auch die deutsche Sprache keine große Hilfe ist. <img src="images/icons/icon9.gif" alt=":-(" border=0 align='absmiddle'> Mir ist aber dank Deiner Erläuterungen, Dimitri, das Prinzip klar geworden.
> Ein Trost könnte für dich auch sein, dass ich weiß, dass VIELE/ALLE "Germanischsprachige" sich AUCH in Spanisch, Französisch oder Italienisch deswegen den Kopf zerbrechen. Der Unterschied in diesen Sprachen ist nur, dass es die Unterscheidung nur in der Vergangenheitsebene gibt, während im Griechischen noch im Futur, im Imperativ und in all den "να ...", die in den anderen genannten Sprachen dann einfach Infinitiv sind.>
Ich glaube, damit hast Du einen ganz entscheidenden Punkt angesprochen: Das Problem mit dem Aspekt stellt sich in drei Bereichen:
1. Bei den Vergangenheitszeiten und im Futur,
2. beim Imperativ,
3. bei Sätzen mit να (aber auch για να, αν, μήπως, μόλις usw.usw.)
Es ist unfassbar, dass dieses so wesentliche Thema in allen mir bekannten Lehrbüchern sträflich vernachlässigt wird. (Allerdings muss ich auch hier ein gutes Wort für das Langenscheidt-Lehrbuch einlegen, das sich bemüht hat, das Problem in Zusammenhang mit den Vergangenheitszeiten an einem anschaulichen Beispiel zu erläutern.)
> Eine Gegenfrage: In welchen Fällen fällt es denn schwerer?: Beim Erzählen über die Vergangenheit (έτρεξα, έτρεχα, άνγοιξα, άνοιγα oder in "να πάω/ανοίξω/ανοίγω/τρέξω/τρέχω..." ??>
Ehrlich gesagt, es fällt immer schwer (soweit eben nicht "Signalworte" wie "πάντα", "τακτικά", "κάθε μέρα, "αρχίζω να ...", "εξακολουθώ να ..." usw. vorkommen). Bei den να-Sätzen (bzw. αν-Sätzen usw.) ist es vielleicht deshalb eine Spur einfacher, weil da meistens die Stamm-II-Form ("να ανοίξω") zu passen scheint.
Ich komme wieder mit einem Beispiel (hier jetzt ohne Bezug auf Vergangenheitszeiten).
Zwei Liedtexte. In dem einen heißt es:
"Αν μ’ αγαπάς
θα κλέψω χρώμα της φωτιάς και λευκό πανί
οι δυο μαζί να ζωγραφίσουμε ξανά τη ζωή.
...."
Im anderen:
"Αν μ’ αγαπήσεις
θαύματα θα κάνω εγώ για σένα
να σου χαρίσω
αγάπη για μια ολόκληρη ζωή."
Zwei vergleichbare Textkonstellationen - und dennoch steht einmal "αν μ’ αγαπάς" und einmal "αν μ’ αγαπήσεις". Stimmt meine Annahme, dass es hier einen gewissen Ermessenspielraum gibt, ob man "Stamm I" oder "Stamm II" nimmt? Anders ausgedrückt: Ist es in solchen Sätzen letztlich egal, welche Form man wählt? (Ich vermute mal, es hängt damit zusammen, ob der Sprecher beim Lieben den (erhofften) kontinuierlichen, "ewig" andauernden Aspekt in den Vordergrund rückt ["αν μ’ αγαπάς"], oder ob er das Lieben mehr unter dem Aspekt eines einheitlichen, "punktuellen" - nämlich auf eine bestimmte Person bezogenen - Phänomens betrachtet.)
Michael
PS: Dimitri, kennst Du irgendein griechisches Buch, das sich gezielt, systematisch und anschaulich mit diesen Problemen des Aspekts beschäftigt? Eine Linguistin von der Uni Athen namens Amalia Moser hat einmal so ein Buch geschrieben, aber das ist leider vergriffen. (Aufsätze zu dem Thema gibt es ja einige, aber sich die zu beschaffen, ist reichlich mühsam.)