Irgendwelche verzwickte Sprachprobleme ?

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#7
Hallo Franz,

du hast es schon verstanden. Ich korrigiere erst mal ein paar kleine Fehler. So ist es richtig:

Το να αφήνεις και να μετασχηματίζεις ψευδαισθήσεις

Σωστό αυτό;


Das "να" fällt bei einer Aufzählung dieser Art nicht weg. ALLE femininen Substantive, die den Plural auf -εις bilden, werden im Plural auf der vorletzten Silbe betont - daher "ψευδαισθήσεις".

Dein Beispiel "το να είσαι - το να έχεις - το να κάνεις" ist grammatisch und allgemeiner sprachlich richtig. Es klingt aber eher nach gesprochener Sprache als nach einem Titel, da nun mal auch im Griechischen Titel meist "statischer" klingen als ein normaler flüssiger Satz. In einer normalen Unterhaltung könnte das hier realistisch sein (A und B sind die Personen):

A: ...
B: Και για σένα τι είναι το σπουδαιότερο;
A: Το να είσαι, το να έχεις και το να κάνεις.

Das oben klingt ziemlich abstrakt. "να είσαι" etc. ist hier durch den Artikel το quasi substantiviert. A hätte auch sagen können:

Το σπουδαιότερο είναι να έισαι, να έχεις και να κάνεις.

In beiden Fällen würde wohl die Rückfrage "und was meinst du damit?" folgen. (Kurz gesagt: "δηλαδή;;;")

Leider bin ich kein studierter Philosoph, so dass ich dir nicht mit fachlicher Versiertheit sagen kann, ob man nicht (je nach Textart) eher sagen würde:

είναι, έχειν και πράττειν

oder

το είναι, το έχειν και το πράττειν

Das sind echte, altgriechische Infinitive, die auch heutigen "Denkern" geläufig sind, und zwar besonders bei den Verben, die du nennst. "είναι" ist im Altgriechischen ein Infinitiv, und auch heute steht "το είναι" für "das Sein". Ähnlich bekannt ist "το γίγνεσθαι", "das Werden" und "το φαίνεσθαι", "das Scheinen/der Schein". Beide Formen sind archaisch, wie man deutlich merkt.

Wenn dein Text klar philosophisch ist und du den Titel als "το να είσαι - το να έχεις - το να κάνεις" formulierst, klingt er zwar sprachlich korrekt aber auch zugleich sehr vertraut-lässig, was durch diese Verwendung der zweiten Person kommt ("Die Ungewissheit" klingt auch anders als "da weißt du nie, was kommt").

Noch mal zurück zu "Το να αφήνεις και να μετασχηματίζεις ψευδαισθήσεις":

"αφήνω" kann verschiedenes bedeuten: lassen, loslassen, belassen, liegen lassen... Wenn in deinem Fall "Illusionen loslassen" für "sich von Illusionen trennen" steht, könntest du schreiben:

Το να εγκαταλείπεις και να μετασχηματίζεις ψευδαισθήσεις.

Oder in Substantiven: Η εγκατάλειψη και ο μετασχηματισμός των ψευδαισθήσεων.

εγκαταλείπω entspricht in hohem Maße dem englischen "to abandon", also etwas aufgeben und weggehen, z.B.: ein Land verlassen, ein Projekt hinschmeißen, die Familie verlassen, irgendjemanden sitzenlassen und verschwinden und allerdings auch sich von irgendwelchen Gedanken trennen, d.h. sie aufgeben und nicht mehr verfolgen.

"Transformation" entspricht extrem gut dem Wort "μετασχηματισμός". Zwischen dem romanischen und griechischen Wortschatz gibt es auch heute noch unendlich viele Parallelen. Es lohnt sich also extrem oft, zu überlegen, wie wohl etwas in lateinischen Fremdwörtern ausgedrückt werden würde, um dann die griechischen Entsprechungen zu finden. Auch ein spanisch-griechisches oder italienisch-griechisches Wörterbuch kann dabei helfen. (da sucht man dann nach "transformación", "transformar" usw. und liest sich noch gleich alle aufgeführten Ableitungen davon durch. Dabei kann man eine ganze Menge im Griechischen entdecken.) Da ich fließend Spanisch spreche kann ich mit 100%iger Sicherheit bestätigen, dass das "sprachliche Feeling" besonders bei sprachlich abstrakten Dingen zwischen dem romanischen und griechischen Wortschatz meistens äußerst ähnlich ist.

Der Bereich, der im Deutschen von "Fremdwörtern" eingenommen wird, wird in den romanischen Sprachen und noch mehr im Griechischen von "Bildungswörtern" eingenommen, die aber derselben Sprache entstammen. Wenn im Deutschen jemand nicht weiß, was "reduktiv" bedeutet, macht er sich keine Sorgen, da es sich wohl um ein bildungssprachliches Fremdwort handelt, wovon man ja nicht alles wissen muss/kann. Die griechische Entsprechung "αναγωγικός" verhält sich genauso, nur kann ein Griechischlerner zu leicht dazu verleitet werden, zu glauben, dass man dieses Wort wohl ganz einfach kennen muss, da es ja griechisch ist. In Wirklichkeit verhält es sich aber genau wie "reduktiv". Frag einfach mal einen Griechen nach dem anderen, was "αναγωγικός" bedeutet. Von 20 werden wahrscheinlich 19 sagen "keine Ahnung". Keine Sorge also...

---------

Abschließend zu deiner Frage: Ich lebe (mal wieder) in Bonn. Ich bin "seit Geburt" zweisprachig, habe Kommunikationsforschung/Linguistik/Romanistik studiert und arbeite in diesem Bereich.

Grüße...

Dimitris
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#7
Hallo Franz,

du hast es schon verstanden. Ich korrigiere erst mal ein paar kleine Fehler. So ist es richtig:

Το να αφήνεις και να μετασχηματίζεις ψευδαισθήσεις

Σωστό αυτό;


Das "να" fällt bei einer Aufzählung dieser Art nicht weg. ALLE femininen Substantive, die den Plural auf -εις bilden, werden im Plural auf der vorletzten Silbe betont - daher "ψευδαισθήσεις".

Dein Beispiel "το να είσαι - το να έχεις - το να κάνεις" ist grammatisch und allgemeiner sprachlich richtig. Es klingt aber eher nach gesprochener Sprache als nach einem Titel, da nun mal auch im Griechischen Titel meist "statischer" klingen als ein normaler flüssiger Satz. In einer normalen Unterhaltung könnte das hier realistisch sein (A und B sind die Personen):

A: ...
B: Και για σένα τι είναι το σπουδαιότερο;
A: Το να είσαι, το να έχεις και το να κάνεις.

Das oben klingt ziemlich abstrakt. "να είσαι" etc. ist hier durch den Artikel το quasi substantiviert. A hätte auch sagen können:

Το σπουδαιότερο είναι να έισαι, να έχεις και να κάνεις.

In beiden Fällen würde wohl die Rückfrage "und was meinst du damit?" folgen. (Kurz gesagt: "δηλαδή;;;")

Leider bin ich kein studierter Philosoph, so dass ich dir nicht mit fachlicher Versiertheit sagen kann, ob man nicht (je nach Textart) eher sagen würde:

είναι, έχειν και πράττειν

oder

το είναι, το έχειν και το πράττειν

Das sind echte, altgriechische Infinitive, die auch heutigen "Denkern" geläufig sind, und zwar besonders bei den Verben, die du nennst. "είναι" ist im Altgriechischen ein Infinitiv, und auch heute steht "το είναι" für "das Sein". Ähnlich bekannt ist "το γίγνεσθαι", "das Werden" und "το φαίνεσθαι", "das Scheinen/der Schein". Beide Formen sind archaisch, wie man deutlich merkt.

Wenn dein Text klar philosophisch ist und du den Titel als "το να είσαι - το να έχεις - το να κάνεις" formulierst, klingt er zwar sprachlich korrekt aber auch zugleich sehr vertraut-lässig, was durch diese Verwendung der zweiten Person kommt ("Die Ungewissheit" klingt auch anders als "da weißt du nie, was kommt").

Noch mal zurück zu "Το να αφήνεις και να μετασχηματίζεις ψευδαισθήσεις":

"αφήνω" kann verschiedenes bedeuten: lassen, loslassen, belassen, liegen lassen... Wenn in deinem Fall "Illusionen loslassen" für "sich von Illusionen trennen" steht, könntest du schreiben:

Το να εγκαταλείπεις και να μετασχηματίζεις ψευδαισθήσεις.

Oder in Substantiven: Η εγκατάλειψη και ο μετασχηματισμός των ψευδαισθήσεων.

εγκαταλείπω entspricht in hohem Maße dem englischen "to abandon", also etwas aufgeben und weggehen, z.B.: ein Land verlassen, ein Projekt hinschmeißen, die Familie verlassen, irgendjemanden sitzenlassen und verschwinden und allerdings auch sich von irgendwelchen Gedanken trennen, d.h. sie aufgeben und nicht mehr verfolgen.

"Transformation" entspricht extrem gut dem Wort "μετασχηματισμός". Zwischen dem romanischen und griechischen Wortschatz gibt es auch heute noch unendlich viele Parallelen. Es lohnt sich also extrem oft, zu überlegen, wie wohl etwas in lateinischen Fremdwörtern ausgedrückt werden würde, um dann die griechischen Entsprechungen zu finden. Auch ein spanisch-griechisches oder italienisch-griechisches Wörterbuch kann dabei helfen. (da sucht man dann nach "transformación", "transformar" usw. und liest sich noch gleich alle aufgeführten Ableitungen davon durch. Dabei kann man eine ganze Menge im Griechischen entdecken.) Da ich fließend Spanisch spreche kann ich mit 100%iger Sicherheit bestätigen, dass das "sprachliche Feeling" besonders bei sprachlich abstrakten Dingen zwischen dem romanischen und griechischen Wortschatz meistens äußerst ähnlich ist.

Der Bereich, der im Deutschen von "Fremdwörtern" eingenommen wird, wird in den romanischen Sprachen und noch mehr im Griechischen von "Bildungswörtern" eingenommen, die aber derselben Sprache entstammen. Wenn im Deutschen jemand nicht weiß, was "reduktiv" bedeutet, macht er sich keine Sorgen, da es sich wohl um ein bildungssprachliches Fremdwort handelt, wovon man ja nicht alles wissen muss/kann. Die griechische Entsprechung "αναγωγικός" verhält sich genauso, nur kann ein Griechischlerner zu leicht dazu verleitet werden, zu glauben, dass man dieses Wort wohl ganz einfach kennen muss, da es ja griechisch ist. In Wirklichkeit verhält es sich aber genau wie "reduktiv". Frag einfach mal einen Griechen nach dem anderen, was "αναγωγικός" bedeutet. Von 20 werden wahrscheinlich 19 sagen "keine Ahnung". Keine Sorge also...

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Abschließend zu deiner Frage: Ich lebe (mal wieder) in Bonn. Ich bin "seit Geburt" zweisprachig, habe Kommunikationsforschung/Linguistik/Romanistik studiert und arbeite in diesem Bereich.

Grüße...

Dimitris
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Irgendwelche verzwickte Sprachprobleme ? - von dimitri_ulisse - 20.08.2004, 01:49:13

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