22.03.2002, 11:45:51
Ja, ja, das, warueber sich alle Griechen aufregen, begreifen Nordeuropaeer erst gar nicht...was ist denn das eigentlich? Ganze Talkshows werden dem Thema gewidmet, jeder Grieche regt sich staendig darueber auf...und wir stehen mit dem Fragezeichen im Gesicht daneben und fragen uns, wer zur Hoelle war den bloss Ypokrates...?
Keine Ahnung. Und weshalb er diesen Ruf hat, auch nicht. Jedenfalls meint dieses Phaenomen "anders handeln, als man sagt". Das bedeutet, dass Dir ins Gesicht gelaechelt wird, dass Dir was bei der Panagia hoch und heilig zugesagt wird und es wird nie, nie geschehen....oder wenn, dann nur gegen viiiieeelll Geld oder sonstige Gegenleistungen (aber da kommt man erst spaeter drauf) Es bedeutet, dass Du tausendmal eingeladen wirst, eine super Zeit verbringst, wirklich, wirklich das Gefuehl hast, verstanden und unterstuetzt zu werden, dass der Handwerker wirklich kommt usw. Aber wenn Du wirklich mal was brauchst, Du ploetzlich gaenzlich unbekannt bist.
Das kann wehtun. Das kommt uns verlogen und falsch vor und tatsaechlich ist fuer Griechen "Ypokrat" ein ganz, ganz, ganz schlimmes Schimpfwort. Aber warum zur Hoelle machen sie es denn alle so???
Ganz einfach. Griechenland ist ein Land, in dem es nie soziale Absicherung gab, bis heute nicht. Und auch nie geben wird. In dem man dem Staat nicht traut und sich nicht mal als "Gemeinschaft" fuehlt (Griechenland als "Nation" wurde ja auch erst vor weniger als 200 Jahren von anderen Staaten "erfunden"). Das einzige Absicherungs- und damit Ueberlebenssystem bildet die Familie. Die Familie ist daher mit allen Mitteln von allen Mitgliedern zu "erhalten", es muss dort Frieden herrschen, in jedem Fall. Als "Gegenleistung" wird Arbeitslosigkeit, Krankheit, Alter etc. niemals ein Problem sein, auf jeden Fall aber immer ein wesentlich kleineres als in Nordeuropa!
Aber das kostet seinen Preis...Frieden auf jeden Fall zu halten, ist ganz schoen schwer. Es geht auf die Kritikfaehigkeit und es geht vor allem auf: Die Ehrlichkeit.
Das sind harte Worte. Ich weiss. Und Griechen selbst empfinden es nicht so, dass sie "unehrlich" sind, wenn sie laecheln, unterstuetzen, niemals (Uebertreibung!) an einem Familienmitglied Kritik ueben, niemals sagen: Du fauler Sack, such Dir endlich Arbeit...sie empfinden es bestenfalls als "Pflicht" der Familie gegenueber, nicht zu fraktionieren, keine Auseinandersetzung zu provozieren....sondern immer und koste es, was es wolle, jedes auch antisoziale und ausbeuterische Verhalten eines Familienmitgliedes oder ganzer Familienteile zu stuetzen. Es grummelt dann zwar heimlich auch in ihnen, aber das verursacht dann "Schuldgefuehle" und damit ist man "schlecht" der Familie gegenueber...und laechelt so gut es geht.
Nach aussen hin bedeutet das, dass man nicht nur nichts ist, sondern auch die anderen sind nichts. Was aussen zaehlt, ist man selbst in einer Gesellschaft, die keine ist, sondern jede Familie eine abgeschlossene Luftblase in einem unuebersichtlichen Wasserbassin voller abgeschlossener Luftblasen ... wozu denn zuverlaessig und ehrlich sein, wenn man selbst oder die Familie davon keinen Vorteil hat?
So, dass waren krasse Worte, das Phaenomen reduziert auf ein paar eisbergspitzenartige Auswuechse...und ohne ein Wort, wie die doch sehr auffaellige Auslaenderfeindlichkeit zu einem solchen Gesellschaftssystem gehoert, ein sehr vielschichtiges Problem in GR.
Ist Euch die Ypokrissia auch aufgefallen? Wie seht ihr das, welche Auswirkungen hat das auf Euch? Seht und erklaert ihr das anders als ich?
Wuerde mich schon interessieren....
Gespannte Gruesse
Carmen
Keine Ahnung. Und weshalb er diesen Ruf hat, auch nicht. Jedenfalls meint dieses Phaenomen "anders handeln, als man sagt". Das bedeutet, dass Dir ins Gesicht gelaechelt wird, dass Dir was bei der Panagia hoch und heilig zugesagt wird und es wird nie, nie geschehen....oder wenn, dann nur gegen viiiieeelll Geld oder sonstige Gegenleistungen (aber da kommt man erst spaeter drauf) Es bedeutet, dass Du tausendmal eingeladen wirst, eine super Zeit verbringst, wirklich, wirklich das Gefuehl hast, verstanden und unterstuetzt zu werden, dass der Handwerker wirklich kommt usw. Aber wenn Du wirklich mal was brauchst, Du ploetzlich gaenzlich unbekannt bist.
Das kann wehtun. Das kommt uns verlogen und falsch vor und tatsaechlich ist fuer Griechen "Ypokrat" ein ganz, ganz, ganz schlimmes Schimpfwort. Aber warum zur Hoelle machen sie es denn alle so???
Ganz einfach. Griechenland ist ein Land, in dem es nie soziale Absicherung gab, bis heute nicht. Und auch nie geben wird. In dem man dem Staat nicht traut und sich nicht mal als "Gemeinschaft" fuehlt (Griechenland als "Nation" wurde ja auch erst vor weniger als 200 Jahren von anderen Staaten "erfunden"). Das einzige Absicherungs- und damit Ueberlebenssystem bildet die Familie. Die Familie ist daher mit allen Mitteln von allen Mitgliedern zu "erhalten", es muss dort Frieden herrschen, in jedem Fall. Als "Gegenleistung" wird Arbeitslosigkeit, Krankheit, Alter etc. niemals ein Problem sein, auf jeden Fall aber immer ein wesentlich kleineres als in Nordeuropa!
Aber das kostet seinen Preis...Frieden auf jeden Fall zu halten, ist ganz schoen schwer. Es geht auf die Kritikfaehigkeit und es geht vor allem auf: Die Ehrlichkeit.
Das sind harte Worte. Ich weiss. Und Griechen selbst empfinden es nicht so, dass sie "unehrlich" sind, wenn sie laecheln, unterstuetzen, niemals (Uebertreibung!) an einem Familienmitglied Kritik ueben, niemals sagen: Du fauler Sack, such Dir endlich Arbeit...sie empfinden es bestenfalls als "Pflicht" der Familie gegenueber, nicht zu fraktionieren, keine Auseinandersetzung zu provozieren....sondern immer und koste es, was es wolle, jedes auch antisoziale und ausbeuterische Verhalten eines Familienmitgliedes oder ganzer Familienteile zu stuetzen. Es grummelt dann zwar heimlich auch in ihnen, aber das verursacht dann "Schuldgefuehle" und damit ist man "schlecht" der Familie gegenueber...und laechelt so gut es geht.
Nach aussen hin bedeutet das, dass man nicht nur nichts ist, sondern auch die anderen sind nichts. Was aussen zaehlt, ist man selbst in einer Gesellschaft, die keine ist, sondern jede Familie eine abgeschlossene Luftblase in einem unuebersichtlichen Wasserbassin voller abgeschlossener Luftblasen ... wozu denn zuverlaessig und ehrlich sein, wenn man selbst oder die Familie davon keinen Vorteil hat?
So, dass waren krasse Worte, das Phaenomen reduziert auf ein paar eisbergspitzenartige Auswuechse...und ohne ein Wort, wie die doch sehr auffaellige Auslaenderfeindlichkeit zu einem solchen Gesellschaftssystem gehoert, ein sehr vielschichtiges Problem in GR.
Ist Euch die Ypokrissia auch aufgefallen? Wie seht ihr das, welche Auswirkungen hat das auf Euch? Seht und erklaert ihr das anders als ich?
Wuerde mich schon interessieren....
Gespannte Gruesse
Carmen