Ein Morgen auf einer griechischen Insel

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#1
(Ich war mal wieder in Schreiblaune)

Das Wetter ist mal wieder super schön, als ich an diesem Wintermorgen los fahre und meine Tochter Lydia zum Kindergarten bringe. Ich bin noch etwas mitgenommen, da mein Rücken weh tut, und quäle mich ungern hinaus in die Welt. Außerdem waren wir seit Tagen nur zuhause, da Lydia eine Magen-Darm-Grippe hatte, die mich glücklicherweise noch nicht auch noch befallen hat (toi toi toi). Aber so nach Tagen des Rückzugs von der Außenwelt habe ich immer Anpassungsschwierigkeiten, ich mag gar nicht hinausgehen, mich dem Leben stellen und Leute treffen.

Aber auf so einer griechischen Insel wird es einem immer leicht gemacht. Man trifft meistens nicht auf Kälte und Unnahbarkeit, sondern auf Wärme. Zuerst gehe ich zur Post und muss mich in die Schlange stellen, wo außergewöhnlich viele Rentner schon stehen, wahrscheinlich um ihre Renten abzuholen, da es der erste des Monats ist. Ich hasse Schlange stehen, muss aber mein Postfach bezahlen. Der Beamte hinterm Schalter sieht mich, und aus irgend einem Grunde sagt er "komm, Martina" - ich staune, er kennt meinen Vornamen. Kennt er auch die Vornamen aller anderen Inselbewohner? So komme ich schnell dran, kann bezahlen und gehen.

Dann gehe ich zum kleinen Bauernmarkt, da mich die Tomaten vorhin schon beim Vorbeifahren so angeschaut haben... ich habe eine Schwäche für griechische Tomaten und kann nicht widerstehen. Der Bauer grüßt mich freundlich, wünscht mir einen "guten Monat", wie es am ersten immer üblich ist, und ich nehme außerdem noch Kartoffeln mit. Obwohl ich da selten kaufe, werde ich behandelt wie der beste Stammkunde und ein guter alter Freund.

Als nächstes steht die Apotheke an und Kaffee im Coffeeshop nebenan kaufen. Der Apotheker fragt mich, wie es Lydias Auge jetzt geht. Ich hatte dort die Woche davor nach Lydias Unfall (blaues Auge durch einen Sturz) die Medikamente gekauft, die der Augenarzt mir verschrieben hatte. Aber davor hatte ich ihm noch erzählt, dass die Ärzte im Krankenhaus gesagt hatten, ich solle erst nach 2 Tagen mit ihr zum Augenarzt gehen, weil er sich wunderte, dass ich Augentropfen ohne Rezept kaufen wollte. Er regte sich fürchterlich darüber auf und sagte, ich müsse SOFORT zum Augenarzt gehen, und die Ärzte im Krankenhaus wären keine Ärzte, das wären STUDENTEN! (In der Tat sind es hier meist sehr junge Ärzte am Ende ihres Studiums, aber sie machten auf mich bisher immer einen sehr guten und professionellen Eindruck.) So ging ich also auf seinen Rat hin SOFORT zum Augenarzt und kaufte später bei ihm auf Rezept die Augentropfen und was da noch dazugehört. Das scheint ihn nachhaltig beeindruckt zu haben, denn seitdem habe ich anscheinend besonderen VIP-Status. Aber ich finde es schön, dass man nicht nur Kunde ist, sondern man sich für unser Befinden interessiert.

Im Coffeeshop kenne ich die Frau sowieso recht gut, und nachdem ich auf die obligatorische Frage nach Lydias Befinden hin unsere ganze Geschichte erzählt habe (Grippe, Augen-Unfall und zuletzt Magen-Darm), verabschiede ich mich und sie schickt mir Küsschen hinterher. So nett!

Früher, ich weiß nicht warum, habe ich die Welt mit ganz anderen Augen gesehen. Erst seit der Trennung von meinem griechischen Partner S. bin ich Griechenland gegenüber viel positiver eingestellt. Außerdem sind die Leute sowieso viel netter zu einem, wenn man ein Kind hat. Aber dass sie auch gleich alle viel netter wurden, nachdem ich den Mann rausgeworfen hatte und unter die alleinerziehenden Mütter gegangen war, das habe ich nie verstanden. Ich hatte damals eigentlich erwartet, nun würde ich als "die Fremde hier" die Pappnase auf haben. Aber das Gegenteil war der Fall. So viele Menschen, die ich teilweise sogar nur flüchtig kannte, kamen damals auf mich zu und sagten, ich dürfe mich nicht scheuen, mich an sie zu wenden, wenn ich Hilfe bräuchte oder mal reden wollte. Was habe ich mich früher immer tagtäglich über die Griechen aufgeregt, genau so oft freue ich mich heutzutage über ihr Verhalten. Sie können sich doch nicht plötzlich alle verändert haben, oder? Also muss es an meiner Wahrnehmung liegen.

Um zum Thema "heute Morgen" zurück zu kommen, zuletzt stand noch ein kurzer Supermarktbesuch an, und ich dachte mir noch beim Hineingehen, was hier wohl Nettes passieren würde. Als ich an der Kasse stand und mein Portemonnaie gerade gezückt hatte, kam ein älterer Herr an und griff aus Spaß mein Portemonnaie, als wenn er es mir klauen wollte, und sagte guten Morgen. Da er mir nur flüchtig bekannt vorkam (wie die halbe Insel!) dachte ich im ersten Moment, er hätte mich verwechselt, aber dann sagte er: "lass mich kurz überlegen - Martina, richtig?" Ich staunte nicht schlecht. Ich glaube, ich kenne ihn aus einem bestimmten Geschäft, wo ich im Sommer manchmal Geschenke kaufe, und das ist der gute Mann, der mich dann immer ausfragt (noch eine lustige griechische Eigenschaft, bei manchen mehr, bei anderen weniger ausgeprägt).

Später brachte ich meinen Freund zum Flughafen und dachte dort auch wieder, wie seltsam es doch manchmal ist, egal, wo man hingeht, dreiviertel der Leute zu kennen, und wenn es auch nur vom Sehen ist. Wenn man hier aufgewachsen ist, muss man doch alle einschließlich deren Lebensgeschichten kennen. Schon schräg, die Vorstellung. Ich kann mich an kaum jemanden überhaupt erinnern aus der Zeit, bevor ich 10 wurde... bis dahin hatte ich auch schon auf 3 verschiedenen Kontinenten gelebt. Darum bin ich wahrscheinlich auch heutzutage extrem reise-unlustig und freue mich, dass ich an einem Ort bin, den ich mag, und den ich um keinen Preis verlassen möchte...


LG
Martina
"In Zeiten wie diesen tut es gut, sich daran zu erinnern, dass es immer schon Zeiten wie diese gegeben hat."
(Paul Harvey)
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#1
(Ich war mal wieder in Schreiblaune)

Das Wetter ist mal wieder super schön, als ich an diesem Wintermorgen los fahre und meine Tochter Lydia zum Kindergarten bringe. Ich bin noch etwas mitgenommen, da mein Rücken weh tut, und quäle mich ungern hinaus in die Welt. Außerdem waren wir seit Tagen nur zuhause, da Lydia eine Magen-Darm-Grippe hatte, die mich glücklicherweise noch nicht auch noch befallen hat (toi toi toi). Aber so nach Tagen des Rückzugs von der Außenwelt habe ich immer Anpassungsschwierigkeiten, ich mag gar nicht hinausgehen, mich dem Leben stellen und Leute treffen.

Aber auf so einer griechischen Insel wird es einem immer leicht gemacht. Man trifft meistens nicht auf Kälte und Unnahbarkeit, sondern auf Wärme. Zuerst gehe ich zur Post und muss mich in die Schlange stellen, wo außergewöhnlich viele Rentner schon stehen, wahrscheinlich um ihre Renten abzuholen, da es der erste des Monats ist. Ich hasse Schlange stehen, muss aber mein Postfach bezahlen. Der Beamte hinterm Schalter sieht mich, und aus irgend einem Grunde sagt er "komm, Martina" - ich staune, er kennt meinen Vornamen. Kennt er auch die Vornamen aller anderen Inselbewohner? So komme ich schnell dran, kann bezahlen und gehen.

Dann gehe ich zum kleinen Bauernmarkt, da mich die Tomaten vorhin schon beim Vorbeifahren so angeschaut haben... ich habe eine Schwäche für griechische Tomaten und kann nicht widerstehen. Der Bauer grüßt mich freundlich, wünscht mir einen "guten Monat", wie es am ersten immer üblich ist, und ich nehme außerdem noch Kartoffeln mit. Obwohl ich da selten kaufe, werde ich behandelt wie der beste Stammkunde und ein guter alter Freund.

Als nächstes steht die Apotheke an und Kaffee im Coffeeshop nebenan kaufen. Der Apotheker fragt mich, wie es Lydias Auge jetzt geht. Ich hatte dort die Woche davor nach Lydias Unfall (blaues Auge durch einen Sturz) die Medikamente gekauft, die der Augenarzt mir verschrieben hatte. Aber davor hatte ich ihm noch erzählt, dass die Ärzte im Krankenhaus gesagt hatten, ich solle erst nach 2 Tagen mit ihr zum Augenarzt gehen, weil er sich wunderte, dass ich Augentropfen ohne Rezept kaufen wollte. Er regte sich fürchterlich darüber auf und sagte, ich müsse SOFORT zum Augenarzt gehen, und die Ärzte im Krankenhaus wären keine Ärzte, das wären STUDENTEN! (In der Tat sind es hier meist sehr junge Ärzte am Ende ihres Studiums, aber sie machten auf mich bisher immer einen sehr guten und professionellen Eindruck.) So ging ich also auf seinen Rat hin SOFORT zum Augenarzt und kaufte später bei ihm auf Rezept die Augentropfen und was da noch dazugehört. Das scheint ihn nachhaltig beeindruckt zu haben, denn seitdem habe ich anscheinend besonderen VIP-Status. Aber ich finde es schön, dass man nicht nur Kunde ist, sondern man sich für unser Befinden interessiert.

Im Coffeeshop kenne ich die Frau sowieso recht gut, und nachdem ich auf die obligatorische Frage nach Lydias Befinden hin unsere ganze Geschichte erzählt habe (Grippe, Augen-Unfall und zuletzt Magen-Darm), verabschiede ich mich und sie schickt mir Küsschen hinterher. So nett!

Früher, ich weiß nicht warum, habe ich die Welt mit ganz anderen Augen gesehen. Erst seit der Trennung von meinem griechischen Partner S. bin ich Griechenland gegenüber viel positiver eingestellt. Außerdem sind die Leute sowieso viel netter zu einem, wenn man ein Kind hat. Aber dass sie auch gleich alle viel netter wurden, nachdem ich den Mann rausgeworfen hatte und unter die alleinerziehenden Mütter gegangen war, das habe ich nie verstanden. Ich hatte damals eigentlich erwartet, nun würde ich als "die Fremde hier" die Pappnase auf haben. Aber das Gegenteil war der Fall. So viele Menschen, die ich teilweise sogar nur flüchtig kannte, kamen damals auf mich zu und sagten, ich dürfe mich nicht scheuen, mich an sie zu wenden, wenn ich Hilfe bräuchte oder mal reden wollte. Was habe ich mich früher immer tagtäglich über die Griechen aufgeregt, genau so oft freue ich mich heutzutage über ihr Verhalten. Sie können sich doch nicht plötzlich alle verändert haben, oder? Also muss es an meiner Wahrnehmung liegen.

Um zum Thema "heute Morgen" zurück zu kommen, zuletzt stand noch ein kurzer Supermarktbesuch an, und ich dachte mir noch beim Hineingehen, was hier wohl Nettes passieren würde. Als ich an der Kasse stand und mein Portemonnaie gerade gezückt hatte, kam ein älterer Herr an und griff aus Spaß mein Portemonnaie, als wenn er es mir klauen wollte, und sagte guten Morgen. Da er mir nur flüchtig bekannt vorkam (wie die halbe Insel!) dachte ich im ersten Moment, er hätte mich verwechselt, aber dann sagte er: "lass mich kurz überlegen - Martina, richtig?" Ich staunte nicht schlecht. Ich glaube, ich kenne ihn aus einem bestimmten Geschäft, wo ich im Sommer manchmal Geschenke kaufe, und das ist der gute Mann, der mich dann immer ausfragt (noch eine lustige griechische Eigenschaft, bei manchen mehr, bei anderen weniger ausgeprägt).

Später brachte ich meinen Freund zum Flughafen und dachte dort auch wieder, wie seltsam es doch manchmal ist, egal, wo man hingeht, dreiviertel der Leute zu kennen, und wenn es auch nur vom Sehen ist. Wenn man hier aufgewachsen ist, muss man doch alle einschließlich deren Lebensgeschichten kennen. Schon schräg, die Vorstellung. Ich kann mich an kaum jemanden überhaupt erinnern aus der Zeit, bevor ich 10 wurde... bis dahin hatte ich auch schon auf 3 verschiedenen Kontinenten gelebt. Darum bin ich wahrscheinlich auch heutzutage extrem reise-unlustig und freue mich, dass ich an einem Ort bin, den ich mag, und den ich um keinen Preis verlassen möchte...


LG
Martina
"In Zeiten wie diesen tut es gut, sich daran zu erinnern, dass es immer schon Zeiten wie diese gegeben hat."
(Paul Harvey)
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