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Ein Morgen auf einer griechischen Insel - Druckversion

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Ein Morgen auf einer griechischen Insel - Martina - 01.02.2007

(Ich war mal wieder in Schreiblaune)

Das Wetter ist mal wieder super schön, als ich an diesem Wintermorgen los fahre und meine Tochter Lydia zum Kindergarten bringe. Ich bin noch etwas mitgenommen, da mein Rücken weh tut, und quäle mich ungern hinaus in die Welt. Außerdem waren wir seit Tagen nur zuhause, da Lydia eine Magen-Darm-Grippe hatte, die mich glücklicherweise noch nicht auch noch befallen hat (toi toi toi). Aber so nach Tagen des Rückzugs von der Außenwelt habe ich immer Anpassungsschwierigkeiten, ich mag gar nicht hinausgehen, mich dem Leben stellen und Leute treffen.

Aber auf so einer griechischen Insel wird es einem immer leicht gemacht. Man trifft meistens nicht auf Kälte und Unnahbarkeit, sondern auf Wärme. Zuerst gehe ich zur Post und muss mich in die Schlange stellen, wo außergewöhnlich viele Rentner schon stehen, wahrscheinlich um ihre Renten abzuholen, da es der erste des Monats ist. Ich hasse Schlange stehen, muss aber mein Postfach bezahlen. Der Beamte hinterm Schalter sieht mich, und aus irgend einem Grunde sagt er "komm, Martina" - ich staune, er kennt meinen Vornamen. Kennt er auch die Vornamen aller anderen Inselbewohner? So komme ich schnell dran, kann bezahlen und gehen.

Dann gehe ich zum kleinen Bauernmarkt, da mich die Tomaten vorhin schon beim Vorbeifahren so angeschaut haben... ich habe eine Schwäche für griechische Tomaten und kann nicht widerstehen. Der Bauer grüßt mich freundlich, wünscht mir einen "guten Monat", wie es am ersten immer üblich ist, und ich nehme außerdem noch Kartoffeln mit. Obwohl ich da selten kaufe, werde ich behandelt wie der beste Stammkunde und ein guter alter Freund.

Als nächstes steht die Apotheke an und Kaffee im Coffeeshop nebenan kaufen. Der Apotheker fragt mich, wie es Lydias Auge jetzt geht. Ich hatte dort die Woche davor nach Lydias Unfall (blaues Auge durch einen Sturz) die Medikamente gekauft, die der Augenarzt mir verschrieben hatte. Aber davor hatte ich ihm noch erzählt, dass die Ärzte im Krankenhaus gesagt hatten, ich solle erst nach 2 Tagen mit ihr zum Augenarzt gehen, weil er sich wunderte, dass ich Augentropfen ohne Rezept kaufen wollte. Er regte sich fürchterlich darüber auf und sagte, ich müsse SOFORT zum Augenarzt gehen, und die Ärzte im Krankenhaus wären keine Ärzte, das wären STUDENTEN! (In der Tat sind es hier meist sehr junge Ärzte am Ende ihres Studiums, aber sie machten auf mich bisher immer einen sehr guten und professionellen Eindruck.) So ging ich also auf seinen Rat hin SOFORT zum Augenarzt und kaufte später bei ihm auf Rezept die Augentropfen und was da noch dazugehört. Das scheint ihn nachhaltig beeindruckt zu haben, denn seitdem habe ich anscheinend besonderen VIP-Status. Aber ich finde es schön, dass man nicht nur Kunde ist, sondern man sich für unser Befinden interessiert.

Im Coffeeshop kenne ich die Frau sowieso recht gut, und nachdem ich auf die obligatorische Frage nach Lydias Befinden hin unsere ganze Geschichte erzählt habe (Grippe, Augen-Unfall und zuletzt Magen-Darm), verabschiede ich mich und sie schickt mir Küsschen hinterher. So nett!

Früher, ich weiß nicht warum, habe ich die Welt mit ganz anderen Augen gesehen. Erst seit der Trennung von meinem griechischen Partner S. bin ich Griechenland gegenüber viel positiver eingestellt. Außerdem sind die Leute sowieso viel netter zu einem, wenn man ein Kind hat. Aber dass sie auch gleich alle viel netter wurden, nachdem ich den Mann rausgeworfen hatte und unter die alleinerziehenden Mütter gegangen war, das habe ich nie verstanden. Ich hatte damals eigentlich erwartet, nun würde ich als "die Fremde hier" die Pappnase auf haben. Aber das Gegenteil war der Fall. So viele Menschen, die ich teilweise sogar nur flüchtig kannte, kamen damals auf mich zu und sagten, ich dürfe mich nicht scheuen, mich an sie zu wenden, wenn ich Hilfe bräuchte oder mal reden wollte. Was habe ich mich früher immer tagtäglich über die Griechen aufgeregt, genau so oft freue ich mich heutzutage über ihr Verhalten. Sie können sich doch nicht plötzlich alle verändert haben, oder? Also muss es an meiner Wahrnehmung liegen.

Um zum Thema "heute Morgen" zurück zu kommen, zuletzt stand noch ein kurzer Supermarktbesuch an, und ich dachte mir noch beim Hineingehen, was hier wohl Nettes passieren würde. Als ich an der Kasse stand und mein Portemonnaie gerade gezückt hatte, kam ein älterer Herr an und griff aus Spaß mein Portemonnaie, als wenn er es mir klauen wollte, und sagte guten Morgen. Da er mir nur flüchtig bekannt vorkam (wie die halbe Insel!) dachte ich im ersten Moment, er hätte mich verwechselt, aber dann sagte er: "lass mich kurz überlegen - Martina, richtig?" Ich staunte nicht schlecht. Ich glaube, ich kenne ihn aus einem bestimmten Geschäft, wo ich im Sommer manchmal Geschenke kaufe, und das ist der gute Mann, der mich dann immer ausfragt (noch eine lustige griechische Eigenschaft, bei manchen mehr, bei anderen weniger ausgeprägt).

Später brachte ich meinen Freund zum Flughafen und dachte dort auch wieder, wie seltsam es doch manchmal ist, egal, wo man hingeht, dreiviertel der Leute zu kennen, und wenn es auch nur vom Sehen ist. Wenn man hier aufgewachsen ist, muss man doch alle einschließlich deren Lebensgeschichten kennen. Schon schräg, die Vorstellung. Ich kann mich an kaum jemanden überhaupt erinnern aus der Zeit, bevor ich 10 wurde... bis dahin hatte ich auch schon auf 3 verschiedenen Kontinenten gelebt. Darum bin ich wahrscheinlich auch heutzutage extrem reise-unlustig und freue mich, dass ich an einem Ort bin, den ich mag, und den ich um keinen Preis verlassen möchte...


LG
Martina


Ein Morgen auf einer griechischen Insel - Psilojannakis - 01.02.2007

Kali Kardia! Das isses!
Ich bin ausm Ruhrgebiet, wo die Fluktuation beträchtlich ist. Man bekommt gar nicht die Gelegenheit, Nachbarn kennenzulernen.

Will man auch nicht mehr, wenn man Bestandteil globalisierter Lebensmaximen ist (durchorganisierter Tag, Kohle is alles, Fernseh-Abend in der eigenen Wohnhaft).

Wahrscheinlich wirst Du im Bayrischen Wald, Harz oder in Holstein im Dorf noch ähnliche Erfahrungen machen können. Noch!

Cheretismata sto Paros
oPsilo


Ein Morgen auf einer griechischen Insel - Martina - 01.02.2007

Psilojannakis schrieb:Wahrscheinlich wirst Du im Bayrischen Wald, Harz oder in Holstein im Dorf noch ähnliche Erfahrungen machen können. Noch!
Keine Ahnung, ich habe nie aufm Dorf gewohnt. Obwohl ich auch das Gefühl habe, dass die Griechen weniger Angst vor Nähe haben als Deutsche.....

LG
Martina


Ein Morgen auf einer griechischen Insel - jacques - 01.02.2007

Martina schrieb:Aber auf so einer griechischen Insel wird es einem immer leicht gemacht. Man trifft meistens nicht auf Kälte und Unnahbarkeit, sondern auf Wärme.
Martina
Hallo Martina!
Du machst es einem schon schwer! Jetzt faellt mir das Warten, auf das ich endlich fix in Naxos bin einerseits leichter und auch wieder schwerer.
Leichter, da mir meine Zukunft jetzt noch schoener erscheint; und schwerer, da es doch noch einige Jahre dauern wird.

Jedenfalls hast Du eine sehr schoene Beschreibung gemacht. Gratuliere. Ist das Leben nicht schoen?

LG aus Graz
Jacques


Ein Morgen auf einer griechischen Insel - sabinesteiner - 01.02.2007

Ach Sehnsucht,
nur noch 7 Wochen und dann fahr ich auch wieder in unser Dorf.

Das war ein schöner Bericht Martina.
Und nach einem total anstrengenden Arbeitstag bringst du mir damit ein bißchen Sonne in's wintertrübe Tal der Wupper.

Sabine


Ein Morgen auf einer griechischen Insel - stefan - 01.02.2007

hi martina..

das kann ich fuer zante ziemlich genauso bestaetigen..
echt irre was die leute fuer ein gedaechnis haben..
natuerlich gibts auch hier pappnasen,wie ueberall,aber die freundlichkeit ueberwiegt doch sehr.
wir sind gerade am umziehen...was uns schon an hilfe angeboten wurde ist gigantisch,obwohls nur 20 m vom alten haus weg ist..

klingt sehr positiv,was du schreibst,und das ist gut so....gelle???

gruss nach paros...
stefan


Ein Morgen auf einer griechischen Insel - rebe - 02.02.2007

Hallo Martina,
danke für den schönen Bericht, da geht einem gleich das Herz auf. Ähnliche Begebenheiten haben wir auch in "unserem" Dorf und Kleinstadt auf Kreta erfahren.
Hier in D, ganz besonders in Großstädten, stirbt das Miteinander.
Schade, das Leben könnte doch so schön sein!!!
Gruß Renate


Ein Morgen auf einer griechischen Insel - Riapet - 02.02.2007

Hallo Martina,

Du solltest öfter mal in "Schreiblaune" sein, denn das liest sich nicht nur sehr gut, sondern einige Gehirnwindungen werden dadurch tüchtig angeregt...

LG

Riapet


Ein Morgen auf einer griechischen Insel - NaxosNick - 03.02.2007

Martina
[color=blue schrieb:
Was habe ich mich früher immer tagtäglich über die Griechen aufgeregt, genau so oft freue ich mich heutzutage über ihr Verhalten. Sie können sich doch nicht plötzlich alle verändert haben, oder? Also muss es an meiner Wahrnehmung liegen.
[/color]
Gia Sou!

Ich glaube, es ist eine Kombination aus beidem. Hinzu kommt der Mond Wink und nach vielleicht anfänglicher Skepsis mittlerweile RESPEKT vor Dir und dass Du nach so langer Zeit WIRKLICH und TATSÄCHLICH "dazugehörst".

Wir haben es bei unseren zigfachen Naxos-Aufenthalten auch mal so und mal so erlebt - manchmal kam es so extrem, dass wir nur mit grinsendem Gesicht durch die Gegend liefen, weil ja alle so freundlich und nett waren. Und mit der gesamten Trendentwicklung (Tourismus) dann leider immer öfters der gegenteilige Eindruck durch gegenteilige Erlebnisse. Dies führte ja soweit, dass wir uns gegen Hellas entschieden - was ich heute immer mal wieder bedaure.

In unserem deutschen Dorf bei Frankfurt (Zuflucht für alle, die dort arbeiten) ist die Entwicklung anders. In unserem Neubaugebiet der 70/80/90 er Jahre kennt man z.T. nicht mal den Namen von Gegenüber und obwohl ich als Selbständiger viel Zeit habe und dreimal täglich "Gassi" gehe, habe ich die Leute von schräg gegenüber nach 6 Jahren noch nie gesehen. Leute ziehen schneller wieder weg, als dass man sie mal kennenlernt. Gehe ich zum Heilpraktiker durchs linke "alte" Dorf, grüßt NIEMAND, denn man kennt mich nicht. Nur manchmal ist es anders - vielleciht liegt`s auch am Wetter? Gehe ich durchs rechte, alte Dorf nickt man wenigstens immer. Die Neuen grüßen überhaupt nicht mehr. Nur beim supertollen fast-öko-Supermarkt im Nachbarort sind an Theke, Kasse und überall die Leute supernett und aufmerksam - bekommen die aber auch eintrainiert.

In unserem sardischen Dorf erleben wir ähnliches wie Du, obwohl wegen kürzerer, unterbrochener Anwesenheit, Sprachproblemen und der offensichtlich völlig unterschiedlichen Kultur und Lebensweise Viele nicht wissen, was sie mit uns anfangen sollen. In der nahegelegenen Kleinstadt werden wir bei Bäcker, Metzger, u.s.w. immer erkannt, ein bisschen ausgefragt, Leute winken, grüßen und laden ein, sie mal zu besuchen. Wenn die Saison dann losbricht, wird das alles etwas verhaltener - wir gehen in der Masse unter.

Ich freu mich für Deine Erfahrungen und würde die auch gerne mal wieder in Naxos machen - habe aber gleichzeitig Angst wegen zu erwartender Enttäuschungen...

Ciao

Thomas

PS: Das Bild ist auch ein Besipiel dafür. Tagtäglich trauere ich um überfahrene, misshandelte, gequälte oder einfach nur verjagte/ verstoßene Katzen (Tiere). Und dann kommt man zum Obst/ Gemüsehändler an der Straße und dort hat diese Katze absolute Narrenfreiheit. Die Orangen zu wiegen war nicht einfach!


Ein Morgen auf einer griechischen Insel - Martina - 03.02.2007

NaxosNick schrieb:PS: Das Bild ist auch ein Besipiel dafür. Tagtäglich trauere ich um überfahrene, misshandelte, gequälte oder einfach nur verjagte/ verstoßene Katzen (Tiere). Und dann kommt man zum Obst/ Gemüsehändler an der Straße und dort hat diese Katze absolute Narrenfreiheit. Die Orangen zu wiegen war nicht einfach!
Stimmt... Griechenland ist einfach ein Land der Extreme. Da ich ja auch viel mit Tieren zu tun habe, erlebe ich da viel Schlimmes, aber auch oft Gegenteiliges, überraschendes.

Danke @alle für eure Antworten!

LG
Martina