27.04.2002, 03:12:23
Hi Carmen,
Von Deiner Antwort leite ich ab, dass Du fast dem kompletten Text mit einem „Naja“ und einem „Hm“ entgegnest. Und einem „wieso?“, vermutlich weil „Was???“ Dir zu unhoeflich erscheint. Das koennen also nicht die Stellen sein, die Dein Interesse geweckt haben. Dann war’s eben der letzte Satz, der unkommentiert geblieben ist.
Doch hast Du etwas anderes gefragt. Ich muss leider ein bisschen ausholen und bitte im voraus um Gnade.
Es war bestimmt nicht im Sinne der Bayern, ein solches Monstrum an Willkuer zu erschaffen, was die heutige Buerokratie ausmacht. Das war eine griechische Leistung, jedoch von dem Bayerischen Beamtenstaat erst institutionell ermoeglicht.
Die Beamtenclique gehoerte per Definition zu den Gewinnern und war demzufolge herrschend, sogar unabhaengig von den politischen Gegebenheiten. Nicht umsonst haben sie sich die Unkuendbarkeit verschrieben.
Bringe das jetzt in Verbindung mit dem ueber die Jahrtausende allgegenwaertigen Drang der Griechen nach Selbstbestimmung, oder einfach ihre Besserwisserei und Du kriegst eine verblueffende Erklaerung fuer das Phaenomen: Die Beamten in Griechenland sind davon ueberzeugt, dass sie selbst BESSER in der Lage sind den Ablauf eines Verfahrens zu bestimmen als ihre Vorgesetzten, da die ja auch selbst Beamte sind. Man weiss ja nur zu gut, WIE man zum Beamten wird und das ist geradezu eine Aufforderung zur Missachtung.
Ja, ja ist duenn, ich weiss, aber denkbar oder?
Die Bestimmungen kann man nicht einfach ignorieren. Es koennte ja zu einer Strafversetzung an die tuerkische Grenze fuehren, schade um das Schmucke Haeuschen in Kifisia, so liebevoll daran gebaut, und die Frau Gemahlin erst, unter den Eingeborenen in der Provinz, das blanke Entsetzen! Also machen sie das, wofuer sie ein Standrecht haben: Die Bestimmungen, die die eifrigen Oberbeamten oder gar ignorante Politiker erlassen haben, mit kompetenten, absichernden Massnahmen zu erweitern. Man sollte NIE dieses staatsfeindliche Pack vom Volk vertrauen! Hinter jeder Oma steckt ein Terrorist der entlarvt werden muss, ein Intrigant der das System mit gefaelschten Wertmarken zu unterwandern versucht. Der Finanzbeamte geht prinzipiell davon aus, dass man ihn, IHN persoenlich bescheisst, der Polizist ist ueberzeugt, der koennte Dich einbuchten, wenn er nur genau genug untersucht, doch ist er grosszuegig und laesst es sein.
Die primaere Aufgabe der Beamten in Griechenland war jahrzehntelang Vorgaenge selektiv zu blockieren, so z.B. die Ausstellung von Paessen und sonstigen Genehmigungen fuer andersdenkende, die nicht andersdenkend genug waren um nach Makronisos auf Dauerurlaub geschickt zu werden. Das praegt. Irgendwann werden vorsichtshalber alle wie Abschaum behandelt.
Her mit der Geburtsurkunde in 10facher Ausfertigung voller Wertmarken, in „metallischen Drachmen“ berechnet, aber erst Morgen, heute habe ich zu telefonieren.
Absurd? Nein. Pervertierte Genehmigungsgeilheit. Nichts hat dem griechischen Beamten in seinem Existenzverstaendnis mehr verletzt, als der Beitritt Griechenlands in die EU und das Schenkener Abkommen.
Doch noch mal zurueck zum „wieso?“ und der Zeit bis 1974.
Die Beamten der Polizei waeren eine toedliche Bedrohung fuer die Tausende der Griechen, die ueber Jahrzehnte (1949-1974) aus politischen Gruenden in der Anonymitaet Athens untergetaucht waren, wenn sie einfach ihre Arbeit gemacht haetten. Spaeter koennten sie ja sagen, sie haetten es gemusst, und insgeheim waren sie immer dagegen.
Das alles ist dem Griechen bewusst. Zumindest den Maennern, die ja allesamt mindestens 1.5 Jahre ihres Lebens unter den Fittichen des griechischen Militaers gelitten haben, gepeinigt und tyrannisiert von den de facto militanten Beamten.
Der Militaerdienst ist ueberhaupt ein mutmasslich wichtiger Grund fuer die Mentalitaet vieler maennlicher Griechen: Man kommt als junger Man mit Idealen rein, und geht als egoistischer Zyniker raus. Die absolute Brutstaette fuer faschistoide Staatsdiener.
Abschliessend: Ein klein wenig Bestaendigkeit und Rechtssicherheit taete auch den Griechen gut (uebrigens den Deutschen auch), doch die Verhaeltnisse, gestatten sie’s?
Wenn Du bei deinem „Naja“ bleibst, hoffe ich zumindest Dich unterhalten zu haben.
Denn, wie sagt der Hellene, wenn die Katastrophe mit Spruengen herannaht?
YGEIA
Von Deiner Antwort leite ich ab, dass Du fast dem kompletten Text mit einem „Naja“ und einem „Hm“ entgegnest. Und einem „wieso?“, vermutlich weil „Was???“ Dir zu unhoeflich erscheint. Das koennen also nicht die Stellen sein, die Dein Interesse geweckt haben. Dann war’s eben der letzte Satz, der unkommentiert geblieben ist.
Doch hast Du etwas anderes gefragt. Ich muss leider ein bisschen ausholen und bitte im voraus um Gnade.
Es war bestimmt nicht im Sinne der Bayern, ein solches Monstrum an Willkuer zu erschaffen, was die heutige Buerokratie ausmacht. Das war eine griechische Leistung, jedoch von dem Bayerischen Beamtenstaat erst institutionell ermoeglicht.
Die Beamtenclique gehoerte per Definition zu den Gewinnern und war demzufolge herrschend, sogar unabhaengig von den politischen Gegebenheiten. Nicht umsonst haben sie sich die Unkuendbarkeit verschrieben.
Bringe das jetzt in Verbindung mit dem ueber die Jahrtausende allgegenwaertigen Drang der Griechen nach Selbstbestimmung, oder einfach ihre Besserwisserei und Du kriegst eine verblueffende Erklaerung fuer das Phaenomen: Die Beamten in Griechenland sind davon ueberzeugt, dass sie selbst BESSER in der Lage sind den Ablauf eines Verfahrens zu bestimmen als ihre Vorgesetzten, da die ja auch selbst Beamte sind. Man weiss ja nur zu gut, WIE man zum Beamten wird und das ist geradezu eine Aufforderung zur Missachtung.
Ja, ja ist duenn, ich weiss, aber denkbar oder?
Die Bestimmungen kann man nicht einfach ignorieren. Es koennte ja zu einer Strafversetzung an die tuerkische Grenze fuehren, schade um das Schmucke Haeuschen in Kifisia, so liebevoll daran gebaut, und die Frau Gemahlin erst, unter den Eingeborenen in der Provinz, das blanke Entsetzen! Also machen sie das, wofuer sie ein Standrecht haben: Die Bestimmungen, die die eifrigen Oberbeamten oder gar ignorante Politiker erlassen haben, mit kompetenten, absichernden Massnahmen zu erweitern. Man sollte NIE dieses staatsfeindliche Pack vom Volk vertrauen! Hinter jeder Oma steckt ein Terrorist der entlarvt werden muss, ein Intrigant der das System mit gefaelschten Wertmarken zu unterwandern versucht. Der Finanzbeamte geht prinzipiell davon aus, dass man ihn, IHN persoenlich bescheisst, der Polizist ist ueberzeugt, der koennte Dich einbuchten, wenn er nur genau genug untersucht, doch ist er grosszuegig und laesst es sein.
Die primaere Aufgabe der Beamten in Griechenland war jahrzehntelang Vorgaenge selektiv zu blockieren, so z.B. die Ausstellung von Paessen und sonstigen Genehmigungen fuer andersdenkende, die nicht andersdenkend genug waren um nach Makronisos auf Dauerurlaub geschickt zu werden. Das praegt. Irgendwann werden vorsichtshalber alle wie Abschaum behandelt.
Her mit der Geburtsurkunde in 10facher Ausfertigung voller Wertmarken, in „metallischen Drachmen“ berechnet, aber erst Morgen, heute habe ich zu telefonieren.
Absurd? Nein. Pervertierte Genehmigungsgeilheit. Nichts hat dem griechischen Beamten in seinem Existenzverstaendnis mehr verletzt, als der Beitritt Griechenlands in die EU und das Schenkener Abkommen.
Doch noch mal zurueck zum „wieso?“ und der Zeit bis 1974.
Die Beamten der Polizei waeren eine toedliche Bedrohung fuer die Tausende der Griechen, die ueber Jahrzehnte (1949-1974) aus politischen Gruenden in der Anonymitaet Athens untergetaucht waren, wenn sie einfach ihre Arbeit gemacht haetten. Spaeter koennten sie ja sagen, sie haetten es gemusst, und insgeheim waren sie immer dagegen.
Das alles ist dem Griechen bewusst. Zumindest den Maennern, die ja allesamt mindestens 1.5 Jahre ihres Lebens unter den Fittichen des griechischen Militaers gelitten haben, gepeinigt und tyrannisiert von den de facto militanten Beamten.
Der Militaerdienst ist ueberhaupt ein mutmasslich wichtiger Grund fuer die Mentalitaet vieler maennlicher Griechen: Man kommt als junger Man mit Idealen rein, und geht als egoistischer Zyniker raus. Die absolute Brutstaette fuer faschistoide Staatsdiener.
Abschliessend: Ein klein wenig Bestaendigkeit und Rechtssicherheit taete auch den Griechen gut (uebrigens den Deutschen auch), doch die Verhaeltnisse, gestatten sie’s?
Wenn Du bei deinem „Naja“ bleibst, hoffe ich zumindest Dich unterhalten zu haben.
Denn, wie sagt der Hellene, wenn die Katastrophe mit Spruengen herannaht?
YGEIA