Grammatikfrage an Dimitris (Aspekt/Konjunktiv)

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#3
Hallo Michael,

solltest du das kleine oder das große PONS-Wörterbuch besitzen: In der dortigen Kurzgrammatik gibt es einen Bereich, in dem der Gebrauch der Zeiten beschrieben wird (wie z.b. "Der Gebrauch des Imperfekts und Aorists"). Solltest du eins der Wörterbücher besitzen, dann lies dir diesen Grammatikteil mal ganz in Ruhe durch, denn dort wird Einiges zum Aspektunterschied erklärt.

Aber jetzt noch mal direkt hier...: Tatsächlich zerbrechen sich deutsche Griechischlerner oft über den Aspektunterschied den Kopf... Die Sprecher einer germanischen Sprache haben sozusagen "Pech", dass es diesen Aspektunterschied in ihrer Sprache nicht so richtig gibt. Auf jeden Fall vorhanden ist die Unterscheidung dagegen in fast allen anderen indoeuropäischen Sprachen, also allen romanischen, den slawischen, Albanisch, Persisch usw. usw.

Es gibt jedoch eine Reihe "Lichtblicke", denn auch im Deutschen ist diese Unterscheidung teilweise, latent und gut versteckt vorhanden, zumindest aber kann sie ziemlich gut umschrieben werden, was ich jetzt machen werde.

Bekanntlich verwendet jeder normale Mensch im Deutschen den Perfekt, wenn er was erzählt. Also: "Gestern bin ich in die Stadt gefahren, um mir ein Handy zu kaufen. Das hab' ich auch gemacht, und nachher hab' ich noch einen Kaffee getrunken." Niemand sagt: "Gestern fuhr ich in die Stadt, ... Das machte ich auch, und nachher trank ich noch ...".

Ein deutscher Muttersprachler kann deutlich erkennen, ob die Verwendung des Präteritums ("ich kaufte") normal oder "eigenartig" klingt. Es gibt auf jeden Fall einige Fälle, in denen das Präteritum nicht nur nicht eigenartig klingt, sondern meistens bevorzugt wird:

"Ich stand da gerade an der Ecke, da seh' ich plötzlich, wie ...."

wird bestimmt häufiger gesagt als

"Ich hab' da gerade an der Ecke gestanden, da ..."

Zumindest aber ist die Verwendung des Präteritums hier absolut normal, oder? Die Kombination Präteritum+"gerade" drückt meistens schon mal einen der Fälle aus, für den im Griechischen die Formen des durativen Aspekts verwendet werden, also Präsens, Imperfekt oder εξακολουθητικός μέλλοντας (in etwa "fortlaufendes Futur").

Ein griechisch-deutsches "Gegenchecken" könnte also erst mal sein: "Würde die Verwendung von Präteritum im Deutschen in diesem Fall VÖLLIG normal klingen?" Wenn ja, dann heißt das so gut wie immer für das Griechische: Imperfekt!

Teilweise wählt der deutsche Sprecher in seinen ganzen Perfekt-Erzählungen also doch das deutsche Präteritum, um etwas "gerade Stattfindende" auszudrücken.

Aber nicht nur das. Ich versuche mal aufzuzählen:

1. Ich stand da GERADE an der Ecke ---> = in jenem Moment machte ich gerade

2. Mein Großvater sagte IMMER / mein Großvater hat IMMER gesagt ---> = IMMER WIEDER wiederholte er es
2. a) (Variante): NORMALERWEISE ließ ich das Auto IMMER vor dem Haus stehen.

3. Ich dachte (immer), er sei Lehrer. ----> Das Verb "denken" birgt gewissermaßen den andauernden/durativen Aspekt in sich. Daher auch im Deutschen gerne im Präteritum. Gleiches gilt für "wissen": "Das wusste ich nicht" ist ein ganz normaler deutscher Satz. ("Das kaufte ich nicht" dagegen nicht.)

DAS sind die Fälle, zu denen bestimmt weit über 95% aller Fälle gehören, in denen im Griechischen der Imperfekt gebraucht wird.

Bisher habe ich allerdings über die zeitliche Stufe "Vergangenheit" gesprochen. Im Griechischen gibt's die Unterscheidung dann noch im Futur und im Imperativ:

Futur:

Morgen um 13:30 wenn du GERADE nach Griechenland fliegen wirst, werd' ich (GERADE) zu Mittag essen.

---> εξακολουθητικός μέλλοντας

--> όταν εσύ θα ταξιδεύεις εγώ θα τρώω


Imperativ:

κλείνε την πόρτα!

---> Du sollst die Tür (immer) zumachen! / = Mach diese Tür immer zu, wenn du rausgehst (= lass sie nicht immer offen. Du lässt sie ständig offen, was du nicht machen sollst).

-----
(GegenbeispielSmile

κλείσε την πόρτα!

---> Mach die Tür zu!

(Fertig, keine weitere Besonderheit.)
------


Die ANDEREN Fälle, die hier nicht genannt wurden, d.h. die Fälle, in denen jemand - in der Vergangenheitsstufe - erzählt, was er so gemacht hat oder auch nicht - bzw. im Futur, was er so machen wird oder auch nicht - werden mit den Zeiten des perfektiven Aspekts gebildet, also in der Vergangenheit mit dem Aorist und im Futur mit dem στιγμιαίο μέλλοντα, dem "punktuellen Futur".

Man könnte sagen, dass die perfektiven Formen - έτρεξα, θα τρέξω, τρέξε! - die "normaleren" sind, während die anderen Formen deutlich die besonderen Aspekte ausdrücken, die ich weiter oben aufgeführt habe.

Eine "Testfrage", um den Aspekt zu bestimmen, könnte sein: "Geht es im vorliegenden Fall einfach nur darum, ob etwas stattgefunden hat oder nicht? - bzw. ob es stattfinden wird oder nicht?" Wenn ja ---> Aorist.

Dazu würden gehören: "Ich bin in die Stadt gefahren. Ich hab' ein Buch gekauft."

Geht es dagegen darum, "was gerade in jenem Moment ablief" bzw. um die anderen oben aufgeführten Fälle, dann Imperfekt/παρατατικός wenn es um die Vergangenheit geht bzw. die anderen "durativen" Formen für die anderen Zeitebenen (θα τρώω, θα τρέχω, θα λέω ...).

Der παρακείμενος / Perfekt (έχω πάει, έχω φάειWink kann ruhig durch den Aorist ersetzt werden, ohne dass es grammatisch falsch klingt. Beide Zeiten drücken den perfektiven Aspekt aus. Dagegen würde der Gebrauch des Impefekts/παρατατικός an den entsprechenden Stellen sofort falsch wirken.

Der griechische Perfekt/παρακείμενος wird gebraucht, um auszudrücken, dass:

1. etwas schon erledigt ist ("nicht mehr nötig" also: έχω φάει, vielen Dank, aber ich hab' schon gegessen)

2. jemand etwas "schon mal gemacht" hat: έχεις πάει καμιά φορά στο Παρίσι; - Bist du schon mal in Paris gewesen?


Der von dir zitierte Fall aus dem Buch ist eine Art "Sonderfall", d.h. eine ABWEICHENDE Verwendung des durativen Aspekts. BESSER wäre gewesen:

... για να ευχαριστήσουμε τον ...

Der Autor wurde hier wahrscheinlich unbemerkt von einem Gebrauch beeinflusst, der sich am deutlichsten im folgenden Fall zeigt: Wenn im Radio oder in der Zeitung u.ä. angekündigt wird, an welche Adresse man das Antragsformular zu schicken hat oder an welche Adresse sich die Interessenten wenden sollen, dann steht dort meist: ... οι ενδιαφερόμενοι να απευθύνονται στο ... statt ... οι ενδιαφερόμενοι να απευθυνθούν στο ... , es wird also eigenartigerweise der durative Aspekt gebraucht, also so, als würde man sagen "die Interessenten sollen sich immer an ... wenden". Das ist kein 100%ig natürlicher Sprachgebrauch, sondern ein sprachlicher Usus, der in genau diesen Fällen angewandt wird. Vielleicht liegt die Vorstellung zugrunde, dass sich ja viele Interessenten alle nacheinander und die ganze Zeit über an ... wenden werden. Ein 8jähriges Kind, das diesen Spezialfall sozusagen noch nicht "gelernt" hat, wird wahrscheinlich aus einem natürlichen Impuls heraus in solchen Sätzen nie den durativen Aspekt verwenden.

Ebenfalls macht es niemand, wenn er EINEM Menschen in so einem Fall sagt, was er tun muss: Πρέπει να απευθυνθείς στο ... (also mit perfektivem Aspekt).

Ich hoffe, ich konnte weiterhelfen...

Grüße,


dimitri_ulisse
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#3
Hallo Michael,

solltest du das kleine oder das große PONS-Wörterbuch besitzen: In der dortigen Kurzgrammatik gibt es einen Bereich, in dem der Gebrauch der Zeiten beschrieben wird (wie z.b. "Der Gebrauch des Imperfekts und Aorists"). Solltest du eins der Wörterbücher besitzen, dann lies dir diesen Grammatikteil mal ganz in Ruhe durch, denn dort wird Einiges zum Aspektunterschied erklärt.

Aber jetzt noch mal direkt hier...: Tatsächlich zerbrechen sich deutsche Griechischlerner oft über den Aspektunterschied den Kopf... Die Sprecher einer germanischen Sprache haben sozusagen "Pech", dass es diesen Aspektunterschied in ihrer Sprache nicht so richtig gibt. Auf jeden Fall vorhanden ist die Unterscheidung dagegen in fast allen anderen indoeuropäischen Sprachen, also allen romanischen, den slawischen, Albanisch, Persisch usw. usw.

Es gibt jedoch eine Reihe "Lichtblicke", denn auch im Deutschen ist diese Unterscheidung teilweise, latent und gut versteckt vorhanden, zumindest aber kann sie ziemlich gut umschrieben werden, was ich jetzt machen werde.

Bekanntlich verwendet jeder normale Mensch im Deutschen den Perfekt, wenn er was erzählt. Also: "Gestern bin ich in die Stadt gefahren, um mir ein Handy zu kaufen. Das hab' ich auch gemacht, und nachher hab' ich noch einen Kaffee getrunken." Niemand sagt: "Gestern fuhr ich in die Stadt, ... Das machte ich auch, und nachher trank ich noch ...".

Ein deutscher Muttersprachler kann deutlich erkennen, ob die Verwendung des Präteritums ("ich kaufte") normal oder "eigenartig" klingt. Es gibt auf jeden Fall einige Fälle, in denen das Präteritum nicht nur nicht eigenartig klingt, sondern meistens bevorzugt wird:

"Ich stand da gerade an der Ecke, da seh' ich plötzlich, wie ...."

wird bestimmt häufiger gesagt als

"Ich hab' da gerade an der Ecke gestanden, da ..."

Zumindest aber ist die Verwendung des Präteritums hier absolut normal, oder? Die Kombination Präteritum+"gerade" drückt meistens schon mal einen der Fälle aus, für den im Griechischen die Formen des durativen Aspekts verwendet werden, also Präsens, Imperfekt oder εξακολουθητικός μέλλοντας (in etwa "fortlaufendes Futur").

Ein griechisch-deutsches "Gegenchecken" könnte also erst mal sein: "Würde die Verwendung von Präteritum im Deutschen in diesem Fall VÖLLIG normal klingen?" Wenn ja, dann heißt das so gut wie immer für das Griechische: Imperfekt!

Teilweise wählt der deutsche Sprecher in seinen ganzen Perfekt-Erzählungen also doch das deutsche Präteritum, um etwas "gerade Stattfindende" auszudrücken.

Aber nicht nur das. Ich versuche mal aufzuzählen:

1. Ich stand da GERADE an der Ecke ---> = in jenem Moment machte ich gerade

2. Mein Großvater sagte IMMER / mein Großvater hat IMMER gesagt ---> = IMMER WIEDER wiederholte er es
2. a) (Variante): NORMALERWEISE ließ ich das Auto IMMER vor dem Haus stehen.

3. Ich dachte (immer), er sei Lehrer. ----> Das Verb "denken" birgt gewissermaßen den andauernden/durativen Aspekt in sich. Daher auch im Deutschen gerne im Präteritum. Gleiches gilt für "wissen": "Das wusste ich nicht" ist ein ganz normaler deutscher Satz. ("Das kaufte ich nicht" dagegen nicht.)

DAS sind die Fälle, zu denen bestimmt weit über 95% aller Fälle gehören, in denen im Griechischen der Imperfekt gebraucht wird.

Bisher habe ich allerdings über die zeitliche Stufe "Vergangenheit" gesprochen. Im Griechischen gibt's die Unterscheidung dann noch im Futur und im Imperativ:

Futur:

Morgen um 13:30 wenn du GERADE nach Griechenland fliegen wirst, werd' ich (GERADE) zu Mittag essen.

---> εξακολουθητικός μέλλοντας

--> όταν εσύ θα ταξιδεύεις εγώ θα τρώω


Imperativ:

κλείνε την πόρτα!

---> Du sollst die Tür (immer) zumachen! / = Mach diese Tür immer zu, wenn du rausgehst (= lass sie nicht immer offen. Du lässt sie ständig offen, was du nicht machen sollst).

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(GegenbeispielSmile

κλείσε την πόρτα!

---> Mach die Tür zu!

(Fertig, keine weitere Besonderheit.)
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Die ANDEREN Fälle, die hier nicht genannt wurden, d.h. die Fälle, in denen jemand - in der Vergangenheitsstufe - erzählt, was er so gemacht hat oder auch nicht - bzw. im Futur, was er so machen wird oder auch nicht - werden mit den Zeiten des perfektiven Aspekts gebildet, also in der Vergangenheit mit dem Aorist und im Futur mit dem στιγμιαίο μέλλοντα, dem "punktuellen Futur".

Man könnte sagen, dass die perfektiven Formen - έτρεξα, θα τρέξω, τρέξε! - die "normaleren" sind, während die anderen Formen deutlich die besonderen Aspekte ausdrücken, die ich weiter oben aufgeführt habe.

Eine "Testfrage", um den Aspekt zu bestimmen, könnte sein: "Geht es im vorliegenden Fall einfach nur darum, ob etwas stattgefunden hat oder nicht? - bzw. ob es stattfinden wird oder nicht?" Wenn ja ---> Aorist.

Dazu würden gehören: "Ich bin in die Stadt gefahren. Ich hab' ein Buch gekauft."

Geht es dagegen darum, "was gerade in jenem Moment ablief" bzw. um die anderen oben aufgeführten Fälle, dann Imperfekt/παρατατικός wenn es um die Vergangenheit geht bzw. die anderen "durativen" Formen für die anderen Zeitebenen (θα τρώω, θα τρέχω, θα λέω ...).

Der παρακείμενος / Perfekt (έχω πάει, έχω φάειWink kann ruhig durch den Aorist ersetzt werden, ohne dass es grammatisch falsch klingt. Beide Zeiten drücken den perfektiven Aspekt aus. Dagegen würde der Gebrauch des Impefekts/παρατατικός an den entsprechenden Stellen sofort falsch wirken.

Der griechische Perfekt/παρακείμενος wird gebraucht, um auszudrücken, dass:

1. etwas schon erledigt ist ("nicht mehr nötig" also: έχω φάει, vielen Dank, aber ich hab' schon gegessen)

2. jemand etwas "schon mal gemacht" hat: έχεις πάει καμιά φορά στο Παρίσι; - Bist du schon mal in Paris gewesen?


Der von dir zitierte Fall aus dem Buch ist eine Art "Sonderfall", d.h. eine ABWEICHENDE Verwendung des durativen Aspekts. BESSER wäre gewesen:

... για να ευχαριστήσουμε τον ...

Der Autor wurde hier wahrscheinlich unbemerkt von einem Gebrauch beeinflusst, der sich am deutlichsten im folgenden Fall zeigt: Wenn im Radio oder in der Zeitung u.ä. angekündigt wird, an welche Adresse man das Antragsformular zu schicken hat oder an welche Adresse sich die Interessenten wenden sollen, dann steht dort meist: ... οι ενδιαφερόμενοι να απευθύνονται στο ... statt ... οι ενδιαφερόμενοι να απευθυνθούν στο ... , es wird also eigenartigerweise der durative Aspekt gebraucht, also so, als würde man sagen "die Interessenten sollen sich immer an ... wenden". Das ist kein 100%ig natürlicher Sprachgebrauch, sondern ein sprachlicher Usus, der in genau diesen Fällen angewandt wird. Vielleicht liegt die Vorstellung zugrunde, dass sich ja viele Interessenten alle nacheinander und die ganze Zeit über an ... wenden werden. Ein 8jähriges Kind, das diesen Spezialfall sozusagen noch nicht "gelernt" hat, wird wahrscheinlich aus einem natürlichen Impuls heraus in solchen Sätzen nie den durativen Aspekt verwenden.

Ebenfalls macht es niemand, wenn er EINEM Menschen in so einem Fall sagt, was er tun muss: Πρέπει να απευθυνθείς στο ... (also mit perfektivem Aspekt).

Ich hoffe, ich konnte weiterhelfen...

Grüße,


dimitri_ulisse
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Grammatikfrage an Dimitris (Aspekt/Konjunktiv) - von dimitri_ulisse - 20.08.2004, 02:04:28

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