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Hire and fire - Carmen - 12.07.2006

Wenn wir immer wieder davor warnen, dass griechenland kein deutschland mit besserem Wetter ist, wird uns ja selten geglaubt und meist irgendwelche Bitterkeit unterstellt.

Und wenn wir vor der Hire-and-fire-Mentalitaet warnen und immer wieder darauf hinweisen, dass es mit Kuendigungsschutz nicht weit her ist, uebersteigt das meist das deutsche Vorstellungsvermoegen.

Gestern ist es bei uns wieder passiert: Einer handvoll Frauen in der produktion, die zum Basislohn "unqualifizierte" Arbeiten verrichten, ist 10 Minuten vor Feierabend gesagt worden, dass sie morgen frueh ihre Papiere abholen koennen, sie wuerden nicht mehr gebraucht.

Die eine sah ich heute morgen und als ich ihr sagte, dass ich den Stil nicht gut finde und es mir leid taete, brach sie an meiner Schulter in Traenen aus.

Mich ficht das immer noch an.

Klar wird einem in solchen Situationen immer wieder deutlich, weshalb sie duckmaeusern und keine Civilcourage haben. Und weshalb sie sich auf der anderen Seite auch ueberhaupt nicht engagieren, wenn man immer mit Kuendigung aus heiterem Himmel heraus bedroht ist. Wenn sie sich hilflos und ausgeliefert fuehlen.

Vieles wird so viel verstaendlicher, wenn man sowas immer wieder hautnah mitkriegt. Die Schmach allein, in den A** getreten zu werden und wie ein Muellbeutel entsorgt zu werden. Das muss fertig machen, im Kopf.

Die Enttaeuschung, die Traenen, das hat mich echt mitgenommen. So werden genau die Opfer kreiiert, ueber die wir uns als aussenstehender Betrachter immer wieder wundern.

Mann, mann, mann, was ein Land, was fuer Menschen, was ein Umgang miteinander.

*seufz*
Carmen


Hire and fire - reikja - 14.07.2006

Hallo, Carmen!

Noch ein weiteres trauriges Kapitel dieser hire and fire Mentalitaet, wenn nicht sogar die Spitze davon findet man auf dem sogenannten "Albanerstrich". Ich weiss nicht, ob es das auch in Athen gibt aber hier in Heraklion gibt es so bestimmte Treffpunkte an zentralen Strassenkreuzungen z.B. wo morgends Dutzende von Albanern, Rumaenen, Bulgaren und ws weiss ich nicht noch wer alles steht und von den vorbeifahrenden Fahrern inspiziert werden, ob stark, kraeftig und belastbar z. B. fuer die Hilfe bei Weintraubenlese oder Bauarbeiten etc.

Wenn man sich auf einen Tagespreis einigen konnte steigt der Arbeiter mit ins Auto ein und hat Fuer diesen TAG was zu tun.

Mittags sieht man nur noch aeltere Maenner an diesen Treffpunkten, die bis dahin noch keiner wollte.
Wie ausgeliefert muss sich so ein Mensch fuehlen? Auch diese Leute haben Familien zu versorgen, und wenn sie keiner fuer gut genug befindet, selbst solch "Niedrige " Arbeiten auszufueren, tja, eben Pech gehabt.

Ebenso, wenn sie von Geruesten stuerzen, sich bei der Feldarbeit ein Bein brechen, tja, Pech gehabt.

Meist sprechen diese Gastarbeiter nicht mal griechisch und der jeweilige "Afendiko" kann sie nach Belieben wieder am Albanerstrich absetzen. Wie praktisch, keine Sozialleistungen und Arbeiter fast umsonst.
Der Ausdruck "Srich" ist doch sehr passend, oder?

Nun koennte ja so ein gut ausgebildeter Deutscher denken: Was hat der Albaner mit mir zu tun? ich komme als Auswanderer nach Kreta und finde bestimmt schon gleich einen festen Job, wo ich meine Qualitaeten unter Beweis stellen kann, jaha.

Nun , EINE Gemeinsamkeit gibt es meist: Der gut ausgebildete Deutsche (Oder sonstiger Auslaender) spricht kein Griechisch. Tja, Pech gehabt, lieber Freund.Ohne das reihst du dich in dfie lange Reihe der Aushilfskellner, Superunterbezahlter Reiseleiter oder Barmaenner ein, die es hier zumindest schon zuhauf gibt und nach denen kein Hahn kraeht.Pech gehabt.
Sicher immer noch besser als auf dem Feld zu schuften, sicher. Aber entspricht die Realitaet in GR dem, was ich mir so vorgestellt habe?? Meist nicht.

Trotzdem an alle die es versuchen wollen:Viel Glueck und Durchhaltevermoegen wuenscht Susanne aus Kreta


Hire and fire - niki04 - 14.07.2006

Carmen schrieb:Gestern ist es bei uns wieder passiert: Einer handvoll Frauen in der produktion, die zum Basislohn "unqualifizierte" Arbeiten verrichten, ist 10 Minuten vor Feierabend gesagt worden, dass sie morgen frueh ihre Papiere abholen koennen, sie wuerden nicht mehr gebraucht.

Die eine sah ich heute morgen und als ich ihr sagte, dass ich den Stil nicht gut finde...
Hallo Carmen,
ich kann dich sehr gut verstehen, auch mir treibt es bei diesem raubtierkapitalistischen Gebaren die Zornesröte ins Gesicht.
Man sieht an diesem Beispiel, welch segensreiche Einrichtung in Deutschland und anderswo die Gewerkschaften sind. Selbst in meinem Berufsleben im öffentlichen Dienst war ich mehrmals sehr froh, die Hilfe meiner Gewerkschaft zu bekommen.

In diesem Zusammenhang würde mich interessieren, welche Rolle griechische Gewerkschaften im Berufsalltag spielen - ich vermute mal garkeine!

Und es wundert mich überhaupt nicht, dass die EU noch nicht einmal im Ansatz Fortschritte bei einer gemeinsamen Sozialgesetzgebung macht. Die meisten EU-Länder wollen ja bestimmt ihren Wirtschaftsunternehmen keinesfalls ein sozialvertägliches Arbeitsrecht zumuten.

Grüße an alle aus dem schwülheißen und gewittrigen München
> FRITZ


Hire and fire - Carmen - 14.07.2006

Das ist eine sehr gute Frage, Fritz, die ich mir auch dauernd stelle. Wenn's wenigstens Betriebsraete gaebe...

Wenn man so ungeschuetzt arbeitet, kann man andererseits die ueberzogenen Kaempfe der Organisierten verstehen. Und warum der Traum des Griechen ein Job im Staatsbetrieb ist.

Ich glaube, ein wichtiger Aspekt ist. dass die uebergrosse Zahl der Privatbetriebe kleine und mittelstaendische Unternehmen sind: Da traut sich keiner, den Mund aufzumachen. Damals, Ende der 60er ging die "Revolte" in Deutschland ja auch in den grossen Fabriken los, vornehmlich Autoindustrie aber auch andere, wichtige Wirtschaftsunternehmen. Wenn aber die Mehrzahl zwischen 5 und hoechstens 50 Arbeitern beschaeftigt, die pausenlos um ihren Job bangen muessen...wie soll sich denn da ein Bewusstsein entwickeln,d ass man sich nicht alles gefallen lassen muss?

Ich bin mir nicht mal sicher, ob diese fristlosen Kuendigungen ueberhaupt rechtens sind. Keine Ahnung. Und keine Ahnung, wie Gewerkschaften hier funktionieren. Aber ich weiss jetzt, weshalb die Eltern so ein wahnwitziges Geld fuer die Bildung ihrer Kinder ausgeben. Es scheint keinen anderen Kuendigungsschutz zu geben, als hoechstmoegliche Qualifikation: Computer, Sprachen, Diplome jeglicher Art.

Carmen


Hire and fire - Carmen - 14.07.2006

Hast recht Susanne, ohne Griechischkenntnisse: Pech gehabt.

Die Beschreibung des "Albaner-Strichs" ist furchtbar... erinnert mich an Berichte und Fotos aus den 30ern, "nehme jede Arbeit an". Wir sind alle Wohlstandskinder und man muss es einfach mit eigenen Augen sehen, um sich vorzustellen zu koennen, dass auch ganz, ganz anders sein kann als im bequemen und geschuetzten Deutschland.

Gruss von Carmen


Hire and fire - csmann - 14.07.2006

Wie kommst du darauf das es dies in Deutschland nicht gibt? Hab da schon mehrere Reportagen drüber gesehen. Gibt es wahrscheinlich überall...


Hire and fire - Carmen - 15.07.2006

Ich glaube, das ist ist D eher eine "Subkultur", waehrend es hier einfach der normale Alltag ist.


Hire and fire - csmann - 15.07.2006

Ich würde sagen hier fällt es vielleicht mehr auf, weil es einfach nicht so sehr versteckt wird wie in Deutschland.. macht aber im Endefeekt keinen Unterschied, es geschieht überall..

Und noch so eine Sache, glaubst du denn, das wenn die Gesetze so wären wie in Deutschland, daß diese Frauen den Job überhaupt erst bekommen hätten? Dies wird immer schnell vergessen, aber ch denke ich Deutschland werden viele Leute einfach nicht eingestellt, weil man Auftragslage etc schwer abschätzen kann und man dann nicht am Ende Leute fürs Nichtstun bezahlen will.. In England kann man auch von einen Tag auf den anderen entlassen werden (mehr oder weniger, besonders in Temp Jobs), und der Wirtschaft gehts blendend..


Hire and fire - Tobi - 15.07.2006

csmann schrieb:In England kann man auch von einen Tag auf den anderen entlassen werden (mehr oder weniger, besonders in Temp Jobs), und der Wirtschaft gehts blendend
Ich denke, es ist ein riesengrosser Unterschied, ob es der Wirtschaft oder den Menschen gut geht. Im Moment wird ja eher der Eindruck erweckt, als wuerde sich das ausschliessen....

Im uebrigen hat Griechenland sehr, sehr strikte Gesetze bez. Kuendigungsschutz; es ist eigentlich so, dass, wen Du einen korrekten und nicht befristeten Arbeitsvertrag hast, nur schwer wieder loszuwerden bist. (Bitte beachten: Wenn..) Das ist mit ein Grund fuer die gnadenlose Borniertheit und Inkompetenz vieler Angestellter.

Keine Ahnung, warum die Maedels so mir nichts, dir nichts gefeuert werden konnten.
Vielleicht hatten sie keinen korrekten Vertrag, vielleicht wollen oder koennen sie sich nicht wehren.
Die gesetzliche Realitaet in GR ist eine andere, wirklich.


Hire and fire - blue velvet - 19.11.2006

na ja, ganz so derb ist es in deutschland nicht ABER es gibt genug arbeitgeber, die 1.-€ jober ausnutzen von einer dauerhaften anstellung aber nichts wissen wollen, oder ihre arbeitskräfte jeweils nur über die probezeit ziehen, die möglicherweise noch verlängern und lauter so nette dinge. der kündigungschutz ist auch hierzulande sehr heruntergefahren und wird sicher nicht besser werden.

fair ist so ein verhalten nirgends, weder in griechenland noch in deutschland

susi


Hire and fire - NaxosNick - 19.11.2006

Also ich kenne aus der Nähe von Frankfurt 2 ähnliche Dinge.

Wenn man (vor allem Privat) schwere, schmutzige Arbeit hat und nichts zahlen will, fährt man zur Container-Siedlung mit Russland-Deutschen, gibt denen ein paar Euros für die Tätigkeit und das wars.

Dann gibt es den OFFIZIELLEN Tagelöhnerplatz an der Honselbrücke. Und da läuft es ganz genauso ab wie oben beschrieben. Und die letzten Sozialleistungen, Rechte, Sicherheiten, Kündigungs"schützchen" werden hier in den nächsten Merkel-Jahren auch noch abgeschafft. Meine Lebensgefährtin war Gewerksschaftsmitarbeiterin bei DGB/ Verdi und als sie ausmuckte, entledigte man sich ihr...